Es mehren sich die Hinweise, dass eine gestörte Darmflora Angst, Depression und Stress mitverursachen kann. Diese spektakulären Erkenntnisse eröffnen neue Therapien und Behandlungsmethoden.
Vielen Menschen schlägt beruflicher oder privater Stress schnell auf den Magen: Der Abgabetermin eines Projekts rückt näher, ein wichtiges Meeting steht kurz bevor, anstrengender Besuch hat sich für das Wochenende angekündigt – und schon grummelt es im Bauch. Manchen schnürt Stress regelrecht den Magen zu, andere fangen an, eine Süßigkeit nach der anderen zu vertilgen, um sich zu beruhigen.
Dass die Psyche den Bauch beeinflusst, ist also bekannt. Neu und spektakulär ist, dass es auch andersherum sein könnte: Möglicherweise ist der Bauch Auslöser von Stimmungen, Ängsten, Stress und Depressionen.
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Darm-Hirn-Achse funktioniert in beide Richtungen
Offenbar sendet nicht nur das Gehirn Signale an den Darm – sondern der Verdauungsapparat hinterlässt auch Spuren im Gehirn. Die sogenannte Darm-Gehirn-Achse funktioniert in beide Richtungen. Damit wird der Mikroflora plötzlich eine enorme Bedeutung zugesprochen. „Der Darm beeinflusst unsere Emotionen und unser Verhalten viel stärker als wir uns das haben je träumen lassen“, sagt Peter Holzer. Er ist Professor für Experimentelle Neurogastroenterologie am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Graz. Über Nerven, Hormone und das Darmimmunsystem übe der Verdauungstrakt Einfluss auf das Gehirn und damit auf unsere Emotionen aus.
Gestörte Darmflora löst psychische Probleme aus
Dieser Einfluss kann positiv oder negativ sein – je nach individuellem Bakteriencocktail. Zwischen 800 bis 1000 verschiedene Bakterien besiedeln den Darm. Doch dessen ökologisches Gleichgewicht ist störanfällig. Eine abnorme Mikroflora hat Konsequenzen: Das Ungleichgewicht zwischen Darmflora und Darmimmunität kann offenbar die Entwicklung psychischer Krankheiten begünstigen. Diesen Zusammenhang legen inzwischen etliche Studien nahe. „Zunehmend gewinnt die Vorstellung an Bedeutung, dass die Mikroflora im Frühstadium bestimmter Erkrankungen eine große Rolle spielt“, sagt Holzer. So seien Patienten, die unter Entzündungen im Magen-Darm-Trakt oder unter einem Reizdarm leiden, häufig von Angsterkrankungen und depressiven Verstimmungen betroffen. Für Holzer können solche Depressionen die Folge der gestörten Darmflora sein – und nicht die Ursache.
Nimmt man den Zusammenhang zwischen Psyche und Bauch unter die Lupe, drängt sich immer zwangsläufig die Frage danach auf, was zuerst da war: Henne oder Ei? Dass es eine Verbindung zwischen gestörtem Verdauungstrakt und psychischen Problemen gibt, sagt noch wenig darüber aus, welche Erkrankung die andere bedingt. Von einem Zusammenhang, das heißt von einer statistischen Korrelation auf eine Richtung, das heißt eine Kausalität zu schließen, ist nicht unproblematisch. Das gilt übrigens für alle Studien.
Holzer und andere Forscher sehen folgende Kausalität: Falsche Ernährung, Antibiotika und Stress beeinflussen die Zusammensetzung der Darmflora – und damit auch das Risiko, an bestimmten psychischen Störungen zu erkranken.
Quelle:Focus
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